ALG II-Bezieher dürfen eigenverantwortlich entscheiden was sie essen. Zu diesem Beschluss ist das Sozialgericht Berlin gekommen, als eine Klägerin die pauschale Anrechnung ihrer Betriebsverpflegung auf ihren ALG II-Anspruch, obwohl sie die Speisen gar nicht gegessen hatte, als Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte beklagte.

Pauschale für Betriebsverpflegung

Die Klägerin arbeitete im Jahr 2013 als Verkäuferin für Fleisch- und Wurstwaren in Berlin. Zu diesem Zeitpunkt erhielt sie vom Jobcenter Reinickendorf ergänzende Leistungen für sich und ihr Kind zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (ALG II). Zusätzlich zu ihrem ausgezahlten Erwerbseinkommen wurde ihr vom Jobcenter eine Pauschale für die Pausenverpflegung angerechnet, da sie von ihrem Arbeitgeber jeden Monat Essen im Wert von bis zu 50 Euro zur Verfügung gestellt bekam.

Essen zu ungesund

Gegen die Anrechnung dieser Verpflegungspauschale reichte die Verkäuferin im Juni 2014 beim Sozialgericht Berlin Klage ein, da sie die zur Verfügung gestellten Speisen gar nicht in Anspruch genommen hatte. Aus gesundheitlichen Gründen könne sie die überwiegend fett- und kohlenhydrathaltige Nahrung  nicht essen. Dass die Pauschale trotzdem mit ihrem ALG II-Anspruch verrechnet wurde, beeinträchtige die Persönlichkeitsrechte der Verkäuferin.

Verstoß gegen die Entscheidungsfreiheit

Das Sozialgericht in Berlin entschied zugunsten der Klägerin. Bei der pauschalisierten Regelleistung dürfen keine individuellen Kürzungen zum Nachteil des Leistungsempfängers in Kraft treten. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, könne die Kürzung der Leistung nicht rechtskräftig sein, denn die Anrechnung der Verpflegung, obwohl diese nicht gegessen werden konnte, verstoße gegen die Entscheidungsfreiheit der Klägerin. ALG II-Bezieher dürfen eigenverantwortlich entscheiden was sie essen, dies sei auch bei der Berechnung von Leistungen zu respektieren, um die Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Leistungsträger zu erhalten. Die Bescheide des Jobcenters Reinickendorf wurden zugunsten der Klägerin korrigiert.

 

  • Quelle: Pressemitteilung des Sozialgerichts Berlin vom 23.03.2015, AZ: S 175 AS 15482/14